Meine Welt ist durcheinander

.
Fortschrittsglaube ist erloschen.
Werd ich jemals wieder heil?
Nach Konsum so vieler Pillen
sollte doch kein Terror sein!

Dolchstoß in den eignen Rücken.
Ich meiner Legende gleich.
Weltwirtschaft in Krisenzeiten,
Springerstiefel, drittes Reich.

'Heil!' im Kopf und krank im Herzen,
ein Feindbild mir im Nacken sitzt.
Pogrome in brauner Nacht,
millionenfach wird ausgeschwitzt.


t1010005


Will ich den totalen Krieg?
Kam ich ab vom rechten Pfad?
Enola Gay bombt die Atome
und ich erleb mein Stalingrad.

Alliierte Teppiche
zerstören meine Endlösung.
Hab ich wirklich nichts gewusst?
Konnt ich wirklich gar nichts tun?

Panzer rollen Frühling nieder.
Selbstschussanlagen sind in.
Kalter Krieg in meinen Adern,
Mord in Dallas und Berlin.

Napalm auf Frauen und auf Kinder
täglich zur besten Sendezeit.
Agent orange auf meine Zellen,
Apokalypse, ich bin bereit!

Ist mein Notstand ein Gesetz?
Vom Hass der Ohnmacht zur Revolte
Hetze pur von Staat und Bild.
Wie gerne wäre ich ohne Sorg!

Bambule ohne meine Hoffnung.
Freude klammheimlich und verschleiert.
Mit Schüssen für die bessere Welt
Ideal gerafft und ausgeleiert.

Nicht mehr Herr im eignen Hause.
So stammel ich daheim:
Überwachte Selbstmorde,
Sympathisanten steht mir bei!


P1010111


Mauerfall meiner Gesundheit,
Vereinigung ganz ohne Wahl,
nur noch ein gemeiner Nenner:
Habgier und das Kapital.

Verwahrlosung der guten Sitten,
Besetzung ganz ohne Mandat,
Attentate der Verzweiflung.
Terrorjagd als neue Saat.

Folter ohne Menschenrechte,
ich mit mir im Kriegszustand.
Niederschlagung von Bedenken,
Weltherrschaft der Ignoranz.

Cruise missiling der Gedanken,
Glaubenswelten im Konflikt,
Globalisierung auch des Schweigens,
Opportunismus als Verdikt.

Überall verminte Felder,
Stacheldraht im Niemandsland,
umgeschnallt mein Sprengstoffgürtel.
Urteil vollstreckt von eigner Hand.

Gefühle vor dem Hungertod,
Immunschwäche, die Nahrung rar,
verdorrt der allerletzte Glaube,
mein Kontinent dem Sterben nah.

Dysfunktionen meiner Nerven,
nächtelang hellwach.
Motorleistung leert die Teller,
Hungertod millionenfach!


P1010108


Mein Gemüt im Klimawandel,
kälter bis katastrophal.
Ich im Auge des Tornados,
Trümmerlandschaft überall.

Rodung meiner Urgewalten,
Verbrauch der letzten Energie,
Gletscherschmelze meiner Achtung,
Artensterben wie noch nie.

Meine Gene out of order,
Zukunft wird manipuliert,
Ozonloch ist Nebensache.
Welt wird kapitalisiert.

Renditewettlauf ohne Grenzen,
Humanität im Ausverkauf,
Entwertung meiner zehn Gebote,
gekündigt nur durch Fristablauf.

Die Explosion aller Vermögen
findet in mir nicht mehr statt.
Globalisiert wird alle Armut,
ich fühl mich elendig und matt.

Aussortiert die Mitbestimmung,
Demokratie nur Schein.
Blutleer ist längst alle Sehnsucht
und entmachtet ist mein Sein.

Existenz im Minimum,
Personalabbau, oh Graus,
verlagert und außer Betrieb,
Transfer, gesellschaftliches Aus.


wP1010027


Mein Zustand skrupellos wie Harz
und reihenweise vorbestraft.
Kein Mindestlohn für meine Qual.
Alles christlich und sozial?

Erniedrigung per Sozialplan,
Maschinenpark wird demontiert,
Sozialprodukt ohne sozial!
Mein Ehrgefühl, das wird tranchiert.

Auswanderung aller Eliten
und Flucht all meines Kapitals.
Unterschicht wird mehrheitsfähig.
Ich im Tresor der Moral.

Verweigerung auf ganzer Linie,
Gemeinschaftssinn soll nicht mehr sein.
Hinterziehung aller Pflichten
auf Konten ohne Licht und Stein.

Als Anachronismus dieser Zeit
und ohne Aussicht auf Asyl
so leide ich ganz jämmerlich
im Koma ohne Selbstgefühl.





für Benno Ohnesorg


Infos zum Tod von Benno Ohnesorg findest Du auf Spiegel-Online. Klicke hier.
2532 mal gelesen
eszet - 23. Apr, 10:04

mir schnürts die kehle zu

beim lesen dieser zeilen
such ich doch erlösung immer zu
und kann sie nirgends finden

doch hier, ahn ich, mag ich auch gelten
ohne schuld, scham oder schelten
voll depression - geradeso wie du (?)
für ein paar zeilen lang
identifikation pur

nur sollt ich nicht zu lang verweilen
sonst wird die wahrheit auch zur qual
hätt ich die wahl, ich zög durch andre welten
hätt ich den mut, ließ ich sie gelten
die kreativität depressionaler qual

wortmeldung - 24. Apr, 19:29

Es kommen wieder bessere Zeiten

Hallo ß,

es kommen wieder hoffnungsvollere Gedichte, mit denen Du Dich, so hoffe ich, ebenso 'identifizieren' wirst.

Wir sollten und wir wollen nicht verweilen. Nur der Ausgang ist so schwer zu finden, das Denken und Fühlen ist so eingefahren.

Früher ahnte ich nicht, dass mein Weg der Kritik für mich gesundheitlich dermaßen kritisch werden könnte. Jetzt ist es halt schwer, die Chronifizierung zu durchbrechen oder aufzulösen.

Ich stelle fest, dass die Einsicht des Kopfes dazu allein nicht reicht. Auch die Gefühle und die Fasern des Körpers wollen überzeugt und umgepolt werden. Dafür scheint es keinen allgemeingültigen Weg zu geben, sondern für jeden von uns nur einen ganz persönlichen.

Trotzdem tut es mir immer gut, Resonanz zu finden. Dafür meinen Dank!

Auf demnächst und alles Gute!

eszet - 24. Apr, 20:22

Aufrichten

weiter gehen!
manchmal auch einen schritt vor und zwei zurück, mühsam oft einen fuß vor den anderen zu setzen, aber doch wenigstens in bewegung. wie viel leichter wäre es doch so oft, wenn uns einfach einer an die hand nehme oder vielleicht auch einen liebevollen tritt in den hintern gäbe - aber wir sind halt keine kinder mehr, vielleicht zwar noch nicht ausreichend gewachsen aber eben erwachsen und all zu häufig meint die gesellschaft, erwachsene haben keine helfenden hände mehr nötig.
trotz allem, innehalten, kräfte sammeln, dann vorwärts schauen, weiter gehen... und vielleicht hin und wieder sich einfach eine hand greifen.
theorie, die praxis hinkt noch hinterher, leider.
aber es tut immer wieder gut, zu spüren, dass man nicht alleine ist.
freue mich auf die hoffnungsvollen gedichte!
eszet

p.s. skypest du unter wortmeldung oder ist das eine andere zu wortmeldung?
eszet - 19. Jun, 23:56

woher

mein gegengewicht nehmen
damit ich vom leben noch nicht
abgeworfen werde
und fortgeschleudert?

mich halten
an meine gedichte?
mich halten
an meine würde?
mich halten
an meine einsamkeit
in meinem haus?

wie erbarmenswert
sind alle
solche methoden
kleinlich
sich klammernd
an hoffnungen
die keine sind

[...]

gegengewicht
in:
erich fried:
es ist was es ist.
liebesgedichte - angstgedichte - zorngedichte
berlin: wagenbach 1983

wortmeldung - 20. Jun, 00:24

Öffne Dich!

Gleich-Gewicht statt Gegen-Gewicht,
Du wirst nicht abgeworfen,
das Leben ruft nach Dir!

Nicht halten, nicht klammern.
Loslassen, Abschied nehmen
und gesunden.

Dein Gleich-Gewicht
eszet - 20. Jun, 01:04

ich an gleich-gewicht:

statt von einem extrem ins andere
mein gleichgewicht finden
die richtige balance
im leben
und überhaupt

vielleicht auch nicht gewicht
sondern leichtigkeit
finden
die leichtigkeit des seins
und überhaupt

loslassen, abschließen
neu anfangen, neues wagen,
neue wege gehen
und überhaupt

aber dazu
muss man doch wissen,
woran man sich klammert,
was das alte ist,
das neues verhindert
und überhaupt

oder braucht man gar nicht
wissen, was
sondern reicht,
dass?
und überhaupt?

vielleicht auch nicht fragen
nur hören
nur sehen
nur fühlen
nur überhaupt?

nicht suchen
und trotzdem finden
und überhaupt

einfach sein
und überhaupt

über haupt
über ich
überhaupt nicht
ich
wortmeldung - 20. Jun, 14:31

Du

Über Dein Haupt findest Du Dein Ich auch nicht.
Denk an den Fuchs - Du findest nur mit dem Herzen!

Du kannst Dich nicht denken.
Du kannst Dich nur fühlen und lieben!

Du kannst Dich nicht halb lieben.
Du kannst Dich nur ganz lieben.

Mit all dem, was Du an Dir bisher gehasst hast.
Du hasst immer das an Dir, was Du an anderen hasst,

was Du an der Welt hasst.
Sei gut zu Dir, indem Du tolerierst.

Arbeite an den Schatten der Welt,
denn sie sind Deine Schattenwelt.

Lerne Sie zu verstehen, zu umarmen.
Sei tolerant zu Dir

und du wirst mit der Welt gut auskommen
und sie gut mit Dir.
eszet - 20. Jun, 23:10

frieds fortsetzung

[...]

es gibt nur
ein einziges
gegengewicht
gegen unglück:
das muss man
suchen
und finden
und das ist das glück


erich fried:
gegengewicht
in:
es ist was es ist.
liebesgedichte - angstgedichte - zorngedichte
berlin: wagenbach 1983

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